Weihnachtszeit ist Vorlesungszeit

Als Lehrende haben wir die Aufgabe, neben den Vorgaben im Curriculum, zu entscheiden, was gelehrt wird. Es ist eine unserer Kernaufgaben zu überlegen, welche Inhalte wir vermitteln wollen und was es sich auch lohnt zu lehren*. Durch den Erhalt des Lehrauftrags (intern im Rahmen eines Vertrags oder extern auf freiberuflicher Basis) werden wir in die Lage versetzt diese Entscheidung zu treffen. Ich selbst und auch viele Kolleg*innen empfinden diese Verantwortung als schwerwiegend. In unserer Position als Lehrende erhalten wir von Lernenden einen Vertrauensvorsprung an unsere fachliche Expertise. Zusätzlich wird uns in dieser Rolle eher „geglaubt“ – wir sind immerhin im Auftrag der Wissenschaft unterwegs**.

Wer glaubt, diese inhaltlichen Entscheidungen seien manchmal schwierig zu treffen, möge sich in die Lage die Verantwortlichen von Weihnachtsvorlesungen versetzen. Weihnachtsvorlesungen sind an vielen Universitäten Tradition. Sie haben ihren Ursprung im Jahr 1825, als die Royal Institution die erste Weihnachtsvorlesung für 15-20jährige Jugendliche in deren freien Zeit angeboten hat. Geplant waren auch Ostern- und Pfingstvorlesungen – aus Mangel an Interesse sind diese wieder eingestellt worden. Was geblieben ist, sind die alljährlichen Weihnachtsvorlesungen, die sich traditionsgemäß häufig mit naturwissenschaftlichen und technischen Themen auseinandersetzt und sich (auch) an fachfremde Personen richten***. Hier wird eine wichtige universitäre Mission erfüllt: Aktuelle Forschungsergebnisse mit möglichst vielen Menschen zu teilen.Bild_KeinGewiEine weitere Mission einer Universität besteht auch darin, Denkanstöße an uns als Bürger*innen zu liefern und Gedanken aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu teilen. Ersteres lässt sich z.B. an der Universität Bayreuth finden. Hier werden prominente Politiker*innen zu Wort gebeten. Die Universität stellt dabei die Bühne – nicht aber die Gedanken selbst. Forschungsergebnisse und Ideen aus geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen werden im Rahmen von Weihnachtsvorlesungen auffällig zurückhaltend angeboten. Das ist schade, weil so manche Schlagzeilen aus einem vergangenen Jahr auf diesem Wege verschieden-perspektivisch betrachtet werden könnten. Und dadurch Blickwinkel verändert oder erweitert werden könnten. Was in Zeiten von Fake News und postfaktischer Berichterstattung unabdingbar ist. Vielleicht sind diese Inhalte nicht immer sehr festlich und könnten so manches besinnlich gestimmte Gemüt gefährden. Das wäre dann eine weitere Größe bei der Auswahl an Inhalten und bei der Frage nach dem Was.

Ich wünsche eine schöne Weihnachtszeit mit viel Zeit sich an schönen, erhellenden Inhalten zu erfreuen und die kritischen, vielleicht manchmal anstrengenden Inhalte auch mitzunehmen.

 

*dass dies nicht heißt, dass die Gegenüber diese Inhalte automatisch lernen, wird in diesem Beitrag über Lernen und Motivation näher besprochen.

**Dieser Beitrag könnte sich nun ausführlich mit den Ereignissen rund um Lehrveranstaltungsleiter*innen aus dem rechten Milieu beschäftigen (Beispiel Universität Hamburg). Oder mit den Fragen, wer wo was lehren darf und wer wo welche Bühne bekommt und ob die Wissenschaft sich selbst zerstört wenn sie filtert. Manche Themen lassen sich aber auch durch unbeantwortete Fragen besser besprechen.

***Die Liste der Weihnachtsvorlesungen der Royal Institution spiegelt einen doch recht allgemeinen thematischen Trend.

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