Sind nur mitarbeitende Studierende aufmerksam?
Zu Beginn gebe ich zu, dass diese Frage für mich neu ist. Bisher habe ich mich gefragt und mit vielen Lehrkolleg*innen diskutiert, wie wir die Aufmerksamkeit der Studierenden fördern können oder wie wir die Studierenden zur Mitarbeit motivieren können. Dass dies jedoch sehr unterschiedlich zu betrachtende Fragen sind, ist mir erst diese Woche aufgefallen, als die Frage aufkam, wie denn studentische Mitarbeit online bewertet werden kann, sprich in die Leistungsbeurteilung einfließen kann.

In vielen juristischen Lehrveranstaltungen werden Wortmeldungen mitdokumentiert. Das kann allerdings aus vielerlei Hinsicht problematisch sein (Druck „gescheite“ Fragen zu stellen, Möglichkeit Mitarbeit für diese Einheit „abzuhaken“). Eine Lösung kann darin bestehen asynchrone Mitarbeit zu bewerten. Dies ist deswegen lernförderlich, weil so die Studierenden dazu angehalten werden zwischen den Einheiten Aufgaben zu lösen, was eine Mitarbeit in der nächsten Einheit aufgrund der Vorbereitung erleichtert. Wer etwas weiß, hat eher etwas zu sagen.
Allerdings höre ich in hochschuldidaktischen Weiterbildungen häufig den Wunsch, Mitarbeit während den synchronen Phasen zu bewerten. Dies haben kann auf zweierlei Weise diskutiert werden:
- Welche Erwartungen habe ich als Lehrende an eine solche Benotungslogik? Was möchte ich durch diesen mal mehr oder weniger sanften Druck erreichen? Ist ein solch zwängliche Situation nicht prädestiniert dafür, dass Studierende schummeln?
- Wenn es uns bei der Benotung von Mitarbeit um die Gewährleistung einer lernförderliche Aufmerksamkeit geht, sind dann alle mitarbeitenden Studierenden aufmerksam und arbeiten alle aufmerksamen Studierende mit? Ich wage es zu bezweifeln.
Ist dann der Anspruch, dass alle Studierenden aktiv, z.B. durch Wortmeldungen, mitarbeiten gerechtfertigt? Wäre es nicht interessant(er) sich zu überlegen, was wir als Lehrende von den Studierenden während den gemeinsamen, synchronen Lehrveranstaltungseinheiten wollen?
Eine hilfreiche Frage ist dabei: „Wie sollen die Studierenden während der Veranstaltung lernend aktiv sein?“ Die Antworten müssen wahrscheinlich für jede Einheit neu definiert werden und nehmen dann die Gestalt von Lernzielen (Welche Lernergebnisse?) und Lernaktivitäten (Wie lernend aktiv sein?) an.

Konkrete Lernaktivitäten in Zusammenhang zu den anvisierten Lernzielen können sein: Mitdenken, Mitschreiben, Zuhören als mentales Repräsentieren, an Umfragen teilnehmen, Arbeitsaufträge erledigen (rechnen, entwickeln, diskutieren, überlegen, herausfinden, herausarbeiten usw.), in Murmelgruppen (Break-Out-Sessions) an Inhalte arbeiten, Skizzen anfertigen, unverständliche Lerninhalte identifizieren, uvm. Auf diesem Wege werden die Aufmerksamkeit und die Mitarbeit (wenn gewünscht) automatisch gefördert.
Ob die Studierenden diese Lernangebote annehmen, bleibt aber stets ihnen überlassen und trotzdem kann ich als Lehrende versuchen es den Studierenden möglichst schwer zu machen gedanklich langfristig „auszusteigen“. Hier ein paar spannende Ressourcen zum Thema:
- Ein spannender Artikel von einem amerikanischen Hochschuldidaktiker zum Thema, welche Gründe es haben kann nicht mitzuarbeiten: Link
- Ein Podcast zum Thema „Student Engagement, online“: Link
- Ein Sammlung an Methoden bietet die Website „Digitale Freischwimmer“ der HafenCity Universität Hamburg
- Allgemeine Tipps und Tricks rund ums Aktivieren der Ruhr-Uni-Bochum: Link
Ich wünsche euch viel Erfolg dabei durch eine aktivierende Seminarstruktur zur Mitarbeit anzuregen! Wie immer freue ich mich in den Kommentaren über gelungene Praxisbeispiele oder eher misslungenen Momenten, aus denen wir alle lernen können! Inzwischen wünsche ich euch einen sonnigen Frühling!