Rollen in der Lehre

Allgemein bekannt aus dem Theater und vielgenutzt in der Soziologie bietet der Rollenbegriff sich an, um die eigene Lehre zu reflektieren. In der Soziologie wird Rolle als Schnittpunkt zwischen Person und Gesellschaft gesehen. Das heißt, eine Person richtet das eigene Handeln an (ihr bekannten) gesellschaftlichen Erwartungen aus*.

Dem ist auch in Lehrkontexten so, die ja eine soziale Konstruktion von Lehrenden und Lernenden darstellen. Das heißt die Situation ensteht erst durch das soziale Verhalten bzw. die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden**. Dabei werden sich selbst und sich gegenseitig Rollen (Bündel an Verhaltensweisen, die sich in Handlungen wiederspiegeln) zugeschrieben.

Für die Reflexion über die eigenen Lehrtätigkeit und die zugrunde liegenden Haltungen bietet sich der Rollenbegriff also an. Gängige Rollen in der Lehre sind:

  • Expert:in
  • Moderator:in
  • Prüfer:in
  • Berater:in
  • Begleiter:in
  • Lernpartner:in

Auch kreativere Begriffe, die erst individuell mit Leben befüllt werden müssen, lassen sich gut für die Darstellung von Lehrtätigkeiten verwenden: Gärtner:in, Geburtshelfer:in, Mahner:in, Vortänzer:in, Kabarettist:in und viele weitere. Hier stellt sich die Frage: Wer möchte ich für die Studierenden sein? Der Blick ist dabei auf die Lernenden gerichtet, in deren Dienst bzw. im Dienst derer Lernprozesse ich als Lehrperson stets stehe. (Damit meine ich nicht, dass ich Lehre als Dienstleistung verstehe und die Studierenden als Kund:innen). Zusätzlich gibt die Rolle Aufschluss über intendierte didaktische Ziele bzw. die Methodik für die Zielerreichung: Als Moderator:in erwarten Lehrende, dass Lernende eigene Argumente formulieren, in der Berater:innen-Rolle wird erwartet, dass Studierende sich eigenständig mit einer Aufgabe befassen usw.

Praktisch umgesetzt erlaubt mir die Ausdifferenzierung meiner Lehrrollen, diese explizit zu wechseln und diesen Wechsel transparent zu machen. Konkret heißt das, dass ich als Lehrende stehe, wenn ich etwas vortrage (Expertin) und mich in die Lernendenrunde setze, wenn ich mich aus der Diskussion herausnehme (Lernparnter:in oder Moderator:in). Das gibt mir und den Lernenden Orientierung. Gleichzeitig kann ich mit den Studierenden über den Lernprozess sprechen, indem ich meine Rollen kläre und mich von spezifischen Rollen abgrenze (Elterndasein; Therapeut:in; Richter:in, o.ä.). Das hilft mir immer dann, wenn Lernenden mich in Rollen schieben, die ich nicht als meine Aufgabenbereiche ansehe. Ein Beispiel ist die Erzieher:in: ich möchte nicht tadeln, wenn eine Vorbereitungsaufgabe nicht erledigt ist, sondern als Lernarrangeurin auftreten, deren Aufgabe es ist Lerngelegenheiten zu schaffen. Ich bin auch keine Missionarin, die versucht die Lernenden den eigenen Werten entsprechend umzuprogrammieren, sondern sehe mich als Reisebüro, das verschiedene Destinationen anbietet, aber niemanden dort hinschubsen kann oder möchte.

Tipp: Denkt über die Rollen nach, die ihr als Lehrende immer wieder einnehmt und stellt euch die Fragen, wie diese heißen. Überlegt auch, welche Rollen ihr versuchen wollt abzulegen oder neu ins Repertoire zu nehmen. Dies geht übrigens auch in anderen (beruflichen) Kontexten und lohnt sich für die Klärung von zwischenmenschlichen Beziehungen.

Ich wünsche euch allen eine erholsame Osterzeit und einen schönen Frühling mit viel Gelegenheit das Gesicht in die Sonne zu strecken.

* Diese Aussage ist eine Verkürzung von Talcott Parsons strukturell-funktionalen Theorie, die dem vereinfachten Bezug zu Lehrkontexten dient. Auf den Seiten der Universität Wien lässt sich eine ausführliche Beschreibung finden.
** Auch für diese Aussage lässt sich das Theoriefundament Sozialkonstruktivismus ausführlicher zugrunde legen. Eine gut verständliche Abhandlung findet sich an der Universität Heidelberg.

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